Stressinkontinenz | Ursache liegt im Beckenboden

In der modernen Medizin heißt die als Stressinkontinenz bezeichnete Erkrankung „Belastungsinkontinenz“. Stellt sich eine Erhöhung des Drucks im Bauch ein, geht unwillkürlich Urin ab. Das Tragen von Inkontinenzeinlagen schützt die Kleidung, doch die Beschwerden müssen an der Ursache angegangen werden.

Stressinkontinenz

Definition Stressinkontinenz

Meist sind es Frauen, die von der Stressinkontinenz betroffen sind und die zum Beispiel beim Husten, Lachen, Niesen oder beim Heben von Gegenständen mit dem ungewollten Abgang von Urin zu kämpfen haben. Männer sind davon zwar auch betroffen, jedoch in deutlich geringerer Anzahl.

Grund ist immer ein erhöhter Druck im Bauchraum und ein nicht ausreichend funktionierender Blasenschließmuskel. Die Betroffenen gehen aus Angst vor dem „Tröpfeln“ meist viel häufiger zur Toilette, sodass kein Harndrang mehr vorhanden ist; dennoch verlieren sie Urin. Die Erkrankung wird in drei Grade eingeteilt.

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Schweregrade der Stressinkontinenz

Wer beim Husten, Lachen oder Springen Urin verliert, wird dem Grad 1 zugeordnet. Patienten mit einer Grad 2-Erkrankung verlieren beim Treppensteigen, Laufen oder Hinsetzen Urin. Grad 3 ist durch den Urinabgang bereits im Liegen gekennzeichnet. Je schwerer die Stressinkontinenz ist, desto geringere Belastungen führen zum Urinverlust.

Die abgehenden Urinmengen variieren und reichen von wenigen Tropfen bis hin zu einem leichten Strahl. Meist sind ältere Menschen von dem Problem betroffen, was aber nicht heißt, dass es keine jüngeren treffen kann.

  • Grad 1 – Urinverlust beim Husten, Lachen oder Springen
  • Grad 2 – Treppensteigen, Laufen oder Hinsetzen
  • Grad 3 – Urinverlust bereits im Liegen und bei kleinsten Lagerungsänderungen

Ursachen der Stressinkontinenz

Die Funktion des Schließmuskels ist bei der Stressinkontinenz gestört, was wiederum häufig auf eine Schwäche des Beckenbodenmuskels zurückzuführen ist. Auch Fehlsteuerungen des Nervensystems sind denkbare Ursachen für dieses gesundheitliche Problem.

Ein geschwächter Beckenboden ist häufig die Ursache für eine Stressinkontinenz.

Ursache Beckenbodenschwäche

Eine Beckenbodenschwäche tritt im Laufe der Zeit altersbedingt auf, weil das Gewebe weniger elastisch ist. Auch eine Bindegewebsschwäche, sowie vorangegangene Schwangerschaften können den Beckenboden schwächen. Teilweise ist das Problem auf Operationen an Gebärmutter oder Prostata zurückzuführen, sofern dabei der Beckenboden in Mitleidenschaft gezogen wurde.

Ursache Schwangerschaft und Übergewicht

In der Schwangerschaft ist das wachsende Gewicht des Kindes schuld am unwillkürlichen Verlust von Urin – das Kleine drückt auf die Blase, das Bindegewebe ist hormonell bedingt ohnehin gelockert. Doch auch ein generelles Übergewicht kann zur Belastungsinkontinenz führen, in dem Fall ist ebenfalls zu wenig Platz für die Blase bzw. drückt das Fettgewebe auf Blase und Harnleiter.

Weitere Gründe für eine Stressinkontinenz sind

  • angeborene Fehlbildungen des Beckenbodens
  • erworbene Schädigungen des Schließmuskels
  • Senkung von Gebärmutter oder Scheide
  • Entfernung der Gebärmutter
  • schwere körperliche Arbeit
  • chronische Bronchitis
  • Blasenentzündung
  • Nervenschädigungen
  • Prostatakarzinom

Symptome Stressinkontinenz

Ein deutliches Anzeichen für eine Stressinkontinenz ist, im Abgang geringer bis umfangreicher Harnmengen ohne Harndrang zu sehen. Liegt eine schwere Inkontinenz vor, so droht der Urinverlust bereits in Ruhe oder bei leichter körperlicher Belastung. Schmerzen treten dabei nicht auf, allerdings ist es für die Betroffenen ein sehr unangenehmes Gefühl. Sie fürchten, dass andere Personen etwas davon mitbekommen, dass die Kleidung nass wird oder dass es unangenehm riecht. Inkontinenzeinlagen helfen, den Urinverlust diskret und hygienisch aufzufangen. Die Ursachen sollten im Rahmen der individuellen Situation aber therapiert werden.

Urinverlust ohne jeglichen Harndrang ist ein deutliches Anzeichen für Stressinkontinenz.

Video Stressinkontinenz erklärt

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Stressinkontinenz Behandlung und Therapie

Bei der Behandlung der Stressinkontinenz wird zwischen der konservativen und der operativen Methode unterschieden. Zu den konservativen Behandlungsweisen zählt das Training des Beckenbodens, die Einnahme von Medikamenten, Biofeedback und die Elektrostimulation. Außerdem findet eine Kombination der einzelnen Therapien statt.

Beckenbodentraining

Nach einer ausführlichen Anamnese, bei der auch verschiedene Untersuchungsmethoden und dabei teilweise bildgebende Verfahren zum Einsatz kommen, legt der Arzt die weitere Vorgehensweise fest. Meist wird der Physiotherapeut hinzugezogen, der mit dem Patienten verschiedene Beckenbodenübungen zur Stärkung des gesamten Halteapparats und des Beckenbodens durchführt. Der Betroffene muss diese Übungen in seinen Alltag integrieren, um deren Erfolg sicherzustellen.

Effektive Beckenbodenübungen können Sie auch Zuhause erlernen. Wichtig ist Regelmäßigkeit und mehrere kurze Übungseinheiten pro Tag.

Biofeedback

Beim Biofeedback werden visuelle und akustische Signale abgegeben, die Auskunft über die richtige Ausführung der einzelnen Übungen geben. Wird die Elektrostimulation eingesetzt, werden Elektroden in Vagina oder After platziert, die wiederum elektrische Impulse abgeben und so den Schließmuskel trainieren.

Pessar für Frauen

Bei Frauen kann das Pessar angewendet werden, welches in die Vagina eingeführt wird und dort Gebärmutter oder Blasenhals anheben kann.

Medikamentöse Therapie

Als medikamentöse Behandlung wendet der Arzt Östrogene an oder verordnet einen Serotonin-Noradrenalin-Wiederaufnahme-Hemmer wie Duloxetin. Diese Arznei bewirkt eine verstärkte Ausschüttung sogenannter Neurotransmitter.

Operative Therapien

Bei einer Operation kann ein stabilisierendes Band eingebracht werden, welches der Absenkung der Gebärmutter entgegenwirkt. Bei Muskelschwächen im Bereich des Beckenbodens können Scheiden-Damm-Plastiken helfen. Liegt jedoch eine sehr schwere Inkontinenz vor, wird der Arzt zu einem künstlichen Schließmuskel raten.

Implacement-Therapie

Noch recht neu ist die sogenannte Implacement-Therapie, ein minimalinvasiver Eingriff, bei dem das Urethra-Gewebe mit kleinsten Partikeln unterfüttert wird. Diese Partikel befinden sich in einer Matrix aus Hyaluronsäure.

Gewichtsabnahme bei Übergewicht

Liegt die Ursache der Belastungsinkontinenz in einem zu hohen Gewicht des Patienten, so reicht meist schon eine Gewichtsabnahme, um die Beschwerden deutlich zu verbessern.

Stressinkontinenz vorbeugen

Schwangeren wird häufig geraten, möglichst noch in der Schwangerschaft mit dem Beckenbodentraining zu beginnen, um diesen Bereich besonders zu stärken. Doch das Beckenbodentraining ist nicht nur für Schwangere geeignet, sondern kann durchaus allen Menschen zur Vorbeugung einer Inkontinenz empfohlen werden. Denn wenn der Beckenboden trainiert ist und die Muskeln und Bänder des Halteapparats gestärkt sind, ist die Gefahr einer Inkontinenz deutlich geringer. Frauen nach natürlichen Entbindungen sollten spätestens nach dem Wochenbett mit dem Training beginnen, dies beugt einer Senkung der Gebärmutter vor, die durch Geburten begünstigt wird.

Einfache Beckenbodenübung

Das Beckenbodentraining kann in den normalen Alltag integriert werden und sogar dann stattfinden, wenn sich andere Menschen in der Nähe befinden. Warum nicht die Wartezeit an der Kasse im Supermarkt für das Training nutzen? Eine einfache Übung: Stellen Sie sich vor, Sie würden mit dem Schließmuskel eine Perle vom Boden aufheben und nach oben in den Bauchraum ziehen. Die Spannung halten und beim Einatmen entspannen. Im Rahmen einer physiotherapeutischen Behandlung werden entsprechende Übungen gelernt, mit deren Hilfe sich der Beckenboden stärken lässt. Damit wird auch das Bindegewebe gestärkt, welches bei einer Schwäche zur Inkontinenz beitragen kann.

Beispiel für einen typischen Erfahrungsbericht bei Stressinkontinenz

Nach Ihrer ersten Entbindung hatte Frau Leibold immer wieder unfreiwilligen Urinabgang. Wenn Sie hustete oder niesste, gingen immer ein paar Tropfen ab. Sie besuchte einen Rückbildungskurs und machte Ihre Beckenbodenübungen sehr gewissenhaft. Damit konnte sie den Urinverlust etwas reduzieren. Frau Leibold konnte damit viele Jahre gut umgehen, da sie ohnehin Slipeinlagen benutzte. Doch allmählich wurden die Anlässe, zu denen sie Urin verlor, häufiger. Bald tröpfelte es auch, wenn Sie etwas Schweres heben musste. Eine Umzugskiste oder schwere Einkaufstaschen. Bei jeder Form der Anstrengung ging bald etwas Urin ab. Nun reichten auch die normalen Slipeinlagen nicht mehr. Es kam immer gleich ein kleiner Schwall. Langsam wurde es ihr zu viel und sie begab sich in ärztliche Beratung. Nach Ausschluss schwerwiegender Krankheiten attestierte ihr Arzt Frau Leibold eine sogenannte Belastungsinkontinenz, auch Stressinkontinenz genannt. Er führte sie auf Ihren schwachen Beckenboden zurück und hielt Frau Leibold an, mehr Sport zu treiben und etwas an Gewicht zu verlieren. Dazu riet er ihr, spezielle Inkontinenzeinlagen zu nutzen, die den Urin besser einschließen. Ganz würde ihre Form der Beckenbodenschwäche jedoch nicht verschwinden. Frau Leibold treibt nun mehr Sport und hat etwas an Gewicht verloren. Sie konnte damit den Urinabgang wieder etwas reduzieren. Sie kommt mit den neuen Einlagen sehr gut zurecht. Insgesamt hat sie sich mit Ihrer Situation gut arrangiert.

Fazit zur Stressinkontinenz

Stressinkontinenz wird in der heutigen Medizin als Belastungsinkontinenz bezeichnet. Sehr häufig sind Frauen mit einem geschwächten Beckenboden betroffen. Als erste und vielversprechendste Therapie wird Beckenbodentraining verordnet. Zusätzlich empfiehlt sich das Tragen von Inkontinenzmaterial. Alleine aus hygienischen Gründen und natürlich für die Hautgesundheit. Heutzutage kann durch Kombination von Therapiemaßnahmen vielen Betroffenen geholfen werden.

 


 

Quellen

Melchior, D., Müller, S.C. Diagnostik der Stressinkontinenz. Der Urologe B 40, 311–313 (2000)

Nygaard IE, Heit M. Stress urinary incontinence. Obstet Gynecol. 2004 Sep;104(3):607-20. doi: 10.1097/01.AOG.0000137874.84862.94. PMID: 15339776

Stress incontinence. Br Med J. 1977 Jul 2;2(6078):2-3. PMID: 871738; PMCID: PMC1631312
https://flexikon.doccheck.com/de/Stressinkontinenz